Samstag, 28. November 2015

Kindergartenarithmetik

Wenn man als Eltern einen Kindergarten sucht, dann überlegt man, ob er auf dem Arbeitsweg liegt, wieviel man zahlt, ob man sich dort beim besichtigen wohl gefühlt hat, ob ein Konzept verfolgt wird und was er dem Kind an Behaglichkeit, Lernpotenzial und als Entwicklungsumgebung so zu bieten hat.

Aber macht man sich auch Gedanken darüber, welchen gesetzlichen Rahmen die Kindertagesstätte gesteckt bekommt? Wohl eher nicht.

Ich habe mich mal damit beschäftigt :)

Da es nicht in allen Bundesländern eine eindeutige rechtliche Regelung über den Betreuungsschlüssel gibt, nehmen wir als Beispiel mal Thüringen. Seit August 2010 haben hier Kinder ab einem Jahr den rechtlichen Anspruch auf einen Kindergartenplatz.

Sechs Kindern zwischen eins und zwei Jahren steht eine Betreuungskraft zu. Das heißt in Arbeitsstunden 40 Stunden die Woche.
Genauso ist es für acht Kinder zwischen zwei und drei Jahren und sechzehn Kindern im Alter von drei bis sechs.
Also:
1-2 Jahre: 40h pro 6 Kinder
2-3 Jahre: 40h pro 8 Kinder
3-6 Jahre: 40h pro 16 Kinder
(Quelle)

Jetzt stellen wir uns einen Kindergarten vor. Ein kleiner Kindergarten, vielleicht auf einem Dorf, 32 Kinder über 3 und 16 unter 3 Jahren.

Nach unserer Rechnung oben, sind hier vier Vollzeitstellen, also 160h die Woche zu besetzen.
(2x16 "Große" und 2x8 "Kleine" zwischen 2 und 3 = 4x40h)

Eine dieser Stellen ist dann die Leitung des Kindergartens. Bei öffentlichen Trägern ist es relativ üblich, dass die Person mit Leitungsaufgaben, dafür freigestellt wird. Das bedeutet, dass diese Stunden nicht in die Betreuung der Kinder hineingezählt werden dürfen, und die Leitung theoretisch Zeit ohne Kinderkontakt z.B. im Büro für "Papierkram" zusteht. Die Menge der freigestellten Stunden ist von Kommune zu Kommune und von Träger zu träger unterschiedlich.
Gibt es keine Freistellung für Leitungsaufgaben, müssen sie trotzdem erfüllt werden...

Nehmen wir mal an, unser kleiner Kindergarten hat eine Leiterin, deren Stelle sich aus fünf "Bürostunden" und 30 Kontaktstunden, also 35h pro Woche zusammensetzt. Dann fehlen noch 130 Kontaktstunden, die wir so aufteilen: zwei Stellen mit 30 Stunden und zwei mit 35 Stunden.

Betrachten wir jetzt mal die 32 großen Kinder genauer. Sie haben eine Erzieherin "Anna" mit 35 Stunden, einen Erzieher "Bert" mit 30 Stunden und dann arbeitet die Leitung "Cecile" noch wöchentlich 15 Stunden bei ihnen (=80h die Woche).
Der Betreuungsschlüssel ist also eingehalten.

Täglich stehen den Kindern also
7 Stunden Anna,
6 Stunden Bert und
3 Stunden Cecile zu.
(Wer mehr als 6 Stunden am Tag arbeitet, ist verpflichtet eine 30 minütige Pause zu machen)

Nehmen wir an, der Kindergarten hat neun Stunden geöffnet, z.B. von 7:00 bis 16:00.
(Eurer hat länger auf? Dann kann man annehmen, dass trotzdem nur 9 Stunden täglich zur Berechnung des Betreuungsschlüssels verwendet werden... Denn es sind ja nie alle Kinder gleichzeitig da, oder etwa doch?)

Bert kommt 7:00, schließt auf und nimmt die ersten Kinder in Empfang. Anna kommt 8:00. Dann wird gefrühstückt und gespielt bis es Zeit fürs Mittag ist. Wenn 12:00 alle Kinder im Bett sind (das schafft man bei 32 doch mit links, oder?), oder still in der Bücherecke, kann Anna ihre Pause machen, während Bert bis 12:30 allein nach den Kindern sieht. Wenn Bert dann 13:00 in den Feierabend geht, kommt Cecile. Sie und Anna helfen den Kindern beim Anziehen und Kaffee trinken, dann wird wieder gespielt. Anna hat 15:30 dann Schluss. Cecile kümmert sich bis 16:00 noch um die letzten Kinder.

Was fehlt?
In dieser Gruppe gibt es keine Aushänge, keine Bildungsbücher, keine Dekoration, keine Fotos, die die Eltern bestellen könnten...

Doch in den "echten" Kindergärten gibt es das. Wieso? Weil eine "echte" Anna in ihrer Pause die Einladung zum Oma-Opa-Nachmittag für das schwarze Brett schreibt, weil ein "echter" Bert abends Entwicklungsberichte oder Bildungsbögen schreibt und weil eine "echte" Cecile zuhause in ihrer Freizeit die Fotos vom Sommerfest oder Plätzchenbacken sortiert und ausdruckt bzw. bestellt.

Im Thüringer Bildungsplan wird gefordert, Entwicklung und Bildung sichtbar zu machen. Also zum Beispiel durch Bildungsbücher, in die Entwicklungen und Lernerfolge der Kinder eingetragen werden. Deshalb wird den Erziehern in manchen Kindergärten mittlerweile Zeit eingeräumt, um die Kinder und ihre Entwicklung zu beobachten und ihre Erfolge in Bildungsbüchern festzuhalten.

Und jetzt: stellen wir uns vor, es wird einer krank...
"Okay" kann man sagen, "dann macht eben einer Überstunden und vertritt den Kranken".
Ja, klar, nur hat das ganze einen Haken...
Denn diese Überstunden werden irgendwann abgebummelt, und dann muss jemand anderes vertreten und Überstunden ansammeln usw.
In der Gesamtbilanz des Hauses würden sich solche Überstunden also ansammeln.

Das dieser Kindergarten dann Schließzeiten hat, damit Urlaub und gesetzlich zustehende Weiterbildungen ermöglicht werden können, ist also kein Wunder. Auch wenn es uns Eltern sehr ungelegen kommt...

Ich stelle also fest, dass vieles, das einen guten freundlich-gemütlichen Kindergarten ausmacht: Oma-Opa-Nachmittag, Zuckertütenfest, Kuchenbacken, Foto- und Kinderkunstgalerie im Flur oder auch einfach die Fensterbilder und Tischdekoration;
vom persönlichen Engagement und Herzblut der Erzieher und Erzieherinnen abhängt.
Danke dafür :)

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